Ki generiertes Bild auf dem der Philosoph Thomas Hobbes vor einem Gebäude mit anderen Menschen zu sehen ist.

Müssen wir Freiheit neu denken?

Eine Suche nach Antworten mit Thomas Hobbes.

Kein anderer Begriff stand so im Fokus der Wahlwerbung zur letzten Europawahl, wie der der Freiheit. Alle Parteien trugen die Freiheit – eingebettet in den eigenen Parteikontext –auf ihren Wahlplakaten. Fragt sich nur: Sind wir eigentlich bereit für die Freiheit? Oder braucht Freiheit nicht Sicherheit? Konnten wir zum Beispiel frei sein, obwohl wir durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung Freiheitseinschränkungen erfahren haben? Und hat eine Regierung das Recht, die Freiheit ihrer Bürger*innen zu beschränken, um Leben zu retten? Ist unsere Freiheit nicht generell bedroht in einer Welt, die sich durch den Klimawandel jetzt schon dramatisch verändert und zunehmend verändern wird?

Freiheit ist nicht erst ein umkämpfter Begriff, seit die Corona-Pandemie oder die Klimabewegung diverse Debatten bestimmen. Von der Antike über das Mittelalter, über die Aufklärung bis heute war die Vorstellung darüber, was Freiheit ist, was sie für den Einzelnen und die Gesellschaft bedeutet, stets umstritten. Darüber hinaus auch einem steten Wandel unterworfen. Ob Freiheit von außen oder von innen begrenzt ist, wer das Recht hat, sich der Selbstbestimmung entgegenzustellen oder ob unsere Leidenschaften uns in unserer Freiheit einengen, sind Fragen, die immer wieder gestellt und neu beantwortet werden. Zudem kam und kommt es immer wieder vor, dass der Begriff ideologisiert und missbraucht wird. Unter dem Label der Freiheit lassen sich Kriege führen, Revolutionen anzetteln und Produkte verkaufen, die unfrei machen, weil sie in eine Sucht führen.

Heute fügt die Neurobiologie der Debatte um den Freiheitsbegriff eine weitere Komponente hinzu: Die Frage, ob der Mensch überhaupt einen freien Willen hat, oder ob er als willenlose Marionette im Fadenspiel seiner Biochemie festhängt, die Würfel also bereits gefallen sind, bevor die Entscheidung bewusst getroffen wird. Vieles spricht für diese Hypothese, trotzdem wird die Willensfreiheit von den Forschern nicht in allen Punkten widerlegt, sondern bezieht sich überwiegend auf einfache Handlungen.

Und früher?

Um dem Freiheitsbegriff auf den Zahn zu fühlen, lohnt sich ein Ausflug zu den Alten Denkern, insbesondere zu Thomas Hobbes. Sein Werk „Leviathan“ prägt die Debatte bis heute. Ausgehend von seinem Freiheitsbegriff und seinen Überlegungen lässt sich aufzeigen, wie viel von dem, was Hobbes in seinen Überlegungen zusammenfasst, – trotz der unterschiedlichen Lebensumstände – noch in uns steckt. Vor allem der methodisch individualistische Blick auf Politik sowie die Suche nach Sicherheit und der damit verbundene Gehorsam, der wiederum in die Unfreiheit führen kann.

Hobbes Blick auf die Menschen offenbart sein Bestreben, es anderen Denkern seiner Zeit gleichzutun und das Sein und das menschliche Verhalten in die Wissenschaft der Mathematik, Physik, Geometrie und Bewegung einzuordnen. „Hobbes ist der Philosoph, der den sogenannten »mos geometricus«, die analytische oder auch resolutiv-kompositive Methode, in Ethik und politischer Philosophien zur Geltung gebracht hat., schreibt Wolfgang Kersting 2016 in einem Einführungswerk zu Hobbes.

Das ist wichtig, denn aus diesem Blickwinkel leitet Hobbes eine Dreiteilung der Philosophie in drei Elemente ab: Corpus, Homo, Civis, also Körper, Mensch und Bürger“. Aus Vielfalt macht er Gleichheit, postuliert, dass jeder Mensch die Macht besitze, einen anderen töten zu können – egal wie stark oder schwach er selbst ist. Auch die geistigen Fähigkeiten vereinheitlicht er.

Das Verständnis seines Denkens ist insofern wichtig, als dass es unter anderem zu einer starken Reduzierung der Komplexität der menschlichen Psyche auf logische Zusammenhänge kommt – eine Tendenz, die sich auch heute noch in vielen Debatten ablesen lässt. Zum Beispiel, wenn die Rede davon ist, dass Wissen die Grundlage für moralisches Handeln sei. Hobbes reduziert die Sprache des Bewusstseins und seiner Aktivitäten auf die Sprache des Körpers, die Sprache der Ethik und des Sozialen auf eine Sprache der Begierden und Interessen und die wiederum auf die physikalische Sprache des bewegten Körpers.

Das Ganze stellt keine Realität dar, sondern dient Hobbes als Gedankenexperiment. Auch das ist wichtig für die Einordnung heute, ebenso wie die Tatsache, dass zu Hobbes Zeit Kriege, besonders der Bürgerkrieg, im Zentrum der Überlegungen standen und Hobbes in seinen Überlegungen einband, dass es Krieg auf jeden Fall zu vermeiden gab, weil er dem Streben der Menschen nach Selbsterhalt zuwiderläuft. Zusätzlich kann man dem Leviathan entnehmen, dass es Hobbes auch um die Auseinandersetzung mit demokratischem Gedankengut ging, er aus seiner Abscheu dagegen kein Hehl machte und den Denkern dieser Richtung sogar vorwarf, das Freiheitsbild, das sie entworfen hatten, zu ihrem eigenen Zwecke zu missbrauchen.

Vor diesem Hintergrund – seinem Blick auf die Menschen und die besonderen Umstände der Zeit – erscheint Hobbes‘ Bruch mit den traditionellen Vorstellungen von Freiheit durchaus logisch, aber nicht nur das. Seine Aussage, dass ein freier Mensch schlicht jemand sei, der physisch nicht daran gehindert wird, seine Kräfte nach Belieben zu betätigen, war im Grunde polemisch.

Hobbes‘ Freiheitsbild

Im Gegensatz zum traditionellen Verständnis der Antike, dass der Mensch nicht frei ist, wenn er aus Leidenschaft handelt und auch nur dann frei ist, wenn er unabhängig von der willkürlichen Einmischung eines anderen agieren kann, entwickelte Hobbes seinen Freiheitsbegriff zunächst aus der physikalischen Vorstellung heraus, dass ein Körper dann unfrei ist, wenn er durch einen anderen an seiner Bewegungsfreiheit gehindert wird. Oder in seinen Worten: „Freiheit bedeutet eigentlich eine Abwesenheit äußerlicher Hindernisse bei einer Bewegung und wird von unvernünftigen und leblosen Dingen ebenso gut gebraucht, wie von vernünftigen. Denn was gebunden oder eingeschlossen ist, so daß es sich nur innerhalb eines Raumes, der von äußerlichen Körpern begrenzt wird, bewegen kann, von dem sagst man, es fehle ihm die Freiheit weiterzukommen“.

Innerliche Hindernisse begrenzen nach Hobbes‘ Ansicht die Freiheit nicht. Wer innerlich begrenzt ist, ist seiner Ansicht nach nicht unfrei, sondern er vermag es lediglich nicht, aus sich heraus zu handeln. Und auch durch Leidenschaften oder Triebe wird nicht die Freiheit eingeschränkt, sondern der Wille bestimmt und dieser Wille ist nach Hobbes frei. Das impliziert auch, dass „die Handlungen der Bürger, die aus Furcht vor den Gesetzen geschehen, wenn sie ebenso gut unterlassen werden könnten“, frei sind, denn das Ziel dieses Willens ist immer der Selbsterhalt.

Darum ist der Mensch nach Hobbes auch vollkommen frei in dem, alles zu tun, was diesem Selbsterhalt dient – einschließlich der Tötung eines jeden, der sich diesem Willen nach Selbsterhalt in den Weg stellt. Und da in Hobbes‘ Naturzustand ein jeder Krieg gegen jeden führt, ist es dem Einzelnen nicht möglich, sich in diesem Zustand selbst zu entfalten. „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf“ ist wohl in diesem Zusammenhang das bekannteste Zitat, das ursprünglich aus der Feder des römischen Komödiendichters Titus Maccius Paulus stammt, allerdings oft lediglich auf Hobbes zurückgeführt wird.

Nach Hobbes hat er Mensch, will er seinem Willen folgen und den Zustand der Gleichheit verlassen, gar keine andere Wahl als die der Vernunft: Freiheit muss der Sicherheit geopfert werden. Hobbes war der Ansicht, dass es besonders die Menschen betrifft, die „sich einzig auf ihren Verstand und auf ihre körperlichen Kräfte gründen müssen“. Ihnen drohe ohne Sicherheitsgarantien die absolute Hölle: „Da findet sich kein Fleiß, weil kein Vorteil davon zu erwarten ist; es gibt keinen Ackerbau, keine Schiffahrt, keine bequemen Wohnungen, keine Werkzeuge höherer Art, keine Länderkenntnis, keine Zeitrechnung, keine Künste, keine gesellschaftlichen Verbindungen; stattdessen ein tausendfaches Elend; Furcht, gemordet zu werden, stündliche Gefahr, ein einsames, kümmerliches, rohes und kurz dauerndes Leben“.

Hier zeigt sich allerdings ein Paradox in Hobbes Betrachtungen. Indem er die Freiheit dem natürlichen Recht darauf, sich zum Erhalt seiner selbst frei nach seinem Willen zu entfalten, „und folglich alles, was dazu etwas beitragen scheint, zu tun“ gleichsetzt, schafft er einen Zustand, der Freiheit im Grunde gar nicht ermöglicht, weil ein Krieg aller gegen alle herrscht. Die Auflösung liegt in der Verbindlichkeit, seine Vernunft zu gebrauchen, Frieden zu suchen, in dem ein jeder mit jedem einen Vertrag abschließt, der beinhaltet, die Rechte (also damit auch die Freiheit) aufzugeben, die zwangsläufig zu einem Krieg führen würden.

Im Fortgang gipfelt dieser Zustand der Vernunft allerdings in der Unterwerfung beziehungsweise der Auflösung der Individuen im Staat. Hobbes sieht in der Herrschaft des Leviathan keinen Widerspruch zur Freiheit, für ihn sind die Bürger frei, wenngleich diese „künstlichen Bande (bürgerliche Gesetze)“ das sind, „wodurch die bürgerliche Freiheit eingeschränkt wird“. Freiheit durch Freiheitseinschränkungen. Wir kennen das aus dem Sozialismus der untergegangen DDR oder UdSSR und weiterer Verbündeter.

Interessant ist noch ein anderer Aspekt, in dem sich Hobbes‘ Ansichten über die Freiheit von dem Denken früherer Philosophen unterschied. Während zum Beispiel Aristoteles davon ausging, dass mit einer politischen Ordnung aus ungleichen Menschen gleiche werden und dass das auch das Ziel sei, argumentiert Hobbes genau in die andere Richtung. Das Einzige, worin sich die Menschen seiner Ansicht nach gleichen sollten, sei der Gehorsam. „So groß ihnen auch das Glück ihrer Nachbarn vorkommen mag, sie dürfen deren Regierungsverfassung nicht höher schätzen als die eigene, noch weniger aber jene nachahmen wollen. Denn das Glück in jedem Staat hängt nicht davon ab, ob er aristokratisch oder demokratisch oder monarchisch ist, sondern lediglich von den Gehorsam und der Eintracht der Bürger.“

Hobbes‘ Idee vom Staat

In Hobbes‘ Staatsmodell wird die Freiheit des Menschen, alles zu tun, was seinem Selbsterhalt dient, freiwillig der Sicherheit geopfert, die der Staat garantiert. Furcht und Freiheit sind in diesem Konstrukt kein Widerspruch, da Furcht in Hobbes‘ Sinne kein äußeres Hindernis darstellt. Eher ist sie bei ihm Voraussetzung dafür, dass die Menschen sich an die Gesetze halten. Die Gemütsbewegung der Furcht sei das Einzige, was die Menschen dazu bewegt, die Gesetze einzuhalten.

Auch das steht eigentlich im Widerspruch in Hobbes Freiheitsbegriff, denn gleichzeitig zu seiner Behauptung, dass der Bürger unter dem Leviathan frei ist, solange er nicht durch äußere Hindernisse eingeschränkt wird, wird die Freiheit ja durch die Gesetze eingeschränkt und in die Verpflichtung überführt, dem Leviathan zu gehorchen. Denn tut der Mensch das nicht, verstößt er im Grunde gegen seinen eigenen Vertrag, der überhaupt erst Grundlage des Entstehens des Leviathans ist. So schadet sich der Bürger selbst, was ja wiederum durch die Abtretung der Rechte ausgeschlossen sein soll. Die Auflösung liegt wieder in der Vernunft begründet, Schutz zu wollen, den es nur unter dem Leviathan geben kann.

Man könnte sagen: Insgesamt ein sehr konstruiertes Konzept, das unter der Betrachtung der Lebensumstände von Hobbes durchaus Sinn ergibt, für heutige Verhältnisse allerdings wenig taugt. Um so erstaunlicher, dass es immer wieder eine Rolle spielt und von Staatslenkern oder Parteien in Argumentationen immer wieder aufgegriffen wird. Vereinfacht: Der Mensch ist nicht in der Lage, friedlich zusammen zu leben und zu produzieren und darum benötigt er die starke Hand. Ob die nun Wirtschaft oder Trump heißt, sein mal dahingestellt.

Und heute?

Wir leben in Land, in dem alle Bürger*innen per Verfassung das Recht auf freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit haben, soweit, und da orientiert sich unser Grundgesetz an Kant, „er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“. Oder, um es mit Judith N. Shklar zu sagen: „Jeder erwachsene Mensch sollte in der Lage sein, ohne Furcht und Vorurteil so viele Entscheidungen über so viele Aspekte seines Lebens zu fällen, wie es mit der gleichen Freiheit eines jeden anderen erwachsenen Menschen vereinbar ist“ Des Weiteren hat jeder „das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist heute unverletzlich, heißt, der Staat ordnet lediglich den Rahmen, innerhalb dessen die Bürger*innen sich frei bewegen können.

Obwohl wir diesen Staat auf den ersten Blick nicht mit dem Hobbesschen Leviathan verbinden würden, gewährleistet der Staat doch Sicherheit durch Gesetze und Verordnungen. Auch die Ungleichheit der Menschen, die Hobbes beschreibt, lässt sich in unserer Gesellschaft finden, wenngleich die Problematik, die Hobbes thematisiert, dass der Mensch durch Leidenschaften getrieben ist, heute gern auf jene abgewälzt wird, die nach Definition am Rande oder außerhalb der Gesellschaft stehen. Diesen Punkt empfinde

ich persönlich als kritisch, denn er führt dazu, dass die Rationalität, die Angreifern innewohnt, oft unterschätzt wird. So zeichnet den Rechtsterrorismus unserer Zeit aus, dass er von Hass und Abscheu gegenüber Fremden angetrieben ist, die Vertreter jedoch trotzdem rational und planvoll agieren und Anhänger über den Schlachtruf der Freiheit – meist im Sinne der „Befreiung von“ – rekrutieren.

Überhaupt wird das Hobbessche Menschenbild im Naturzustand gern herangezogen, um Entscheidungen oder Konzepte die Freiheit einschränken, argumentativ zu untermauern oder zu legitimieren. So sei der Mensch eben und entweder muss man ihn begrenzen, weil er so ist oder man muss ihm die Freiheit lassen, so zu sein, wie er ist – beide Richtungen sind Teil unserer Wirklichkeit. Verfechter*innen der letzten Richtung sehen in Hobbes gern auch den Vater des Liberalismus. Dagegen argumentiert Shklar: „Keine Theorie, die den Einrichtungen des Staates uneingeschränktes Recht zugesteht, der Bürgerschaft nach Belieben ein Glaubensbekenntnis und sogar ein Vokabular aufzuzwingen, kann auch nur im Entferntesten liberal genannt werden“

So bleibt die Frage, wie frei wir sein müssen oder sein dürfen, immer wieder Streitpunkt politischer Debatten. Für die FDP zum Beispiel kann die Freiheit gar nicht weit genug gehen und manch eine/r sieht uns bereits in den Totalitarismus abrutschen, streng nach Karl Popper, nach dem die Feinde der offenen Gesellschaft jene sind, die für sich in Anspruch nehmen, die Gesellschaft in ihrem Sinne zu dirigieren, weil sie über Herrschaftswissen verfügen, sich auf der Seite des Guten sehen und sich ermächtigt fühlen, Grundgesetz auszuhebeln.

Das führt bei den aktuellen Freiheitsdebatten auch dazu, dass die beiden Komponenten des 2. Artikels gegeneinander ausgespielt werden. Während im Zuge der Corona-Maßnahmen auf der einen Seite die körperliche Unversehrtheit des einzelnen Maßstab des Handelns der Regierung ist, fordern auf der anderen Seite Menschen ihr Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein und sehen dieses durch die Maßnahmen der Regierung verletzt.

Das geht soweit, das einige auf ihr Recht pochen, eben auch sterben zu können, während andere vom Staat geschützt werden wollen und nach Sicherheit verlangen. Wir konnten in der Corona-zeit beobachten, dass diese Diskrepanzen den Weg auf die Straße gefunden haben – sogenannte Querdenker*innen demonstrieren gemeinsam mit jenen, die die Einmischung des Staates in private Grundrechte für gesteuert und global orchestriert halten.

Wiederum andere sehen ihre Meinungsfreiheit eingeschränkt und führen diesen Vorwurf durch das, was sie sagen, teilweise ad absurdum. Es scheint, als gäbe es derzeit ein großes Gerangel darum, wie frei jeder einzelne sein will, auch darum, was überhaupt unter Freiheit zu verstehen ist. Haben die meisten, die nach Ende des 2. Weltkrieges geboren sind, Freiheit als etwas Gegebenes erlebt, so sind wir scheinbar nun an dem Punkt angelangt, an dem es darum geht, Freiheit in alle Richtungen zu verteidigen. Die spannende Frage ist, wer sie bedroht und welcher Anteil von ihr in akuter Gefahr ist.

Demokratie schien lange ein Garant für Freiheit, nun wird selbst die von einigen Gruppierungen in Frage gestellt. Obwohl wir frei sind, uns in alle Richtungen zu entwickeln können und in einer geregelten Ordnung Freiheit genießen können, sind wir jetzt an einem Punkt angelangt, an dem immer mehr Menschen klar wird, dass diese Freiheit einen Preis hat, den entweder Menschen auf anderen Kontinenten oder die Natur und damit am Ende auch wir bezahlen müssen.

So wird die Freiheit plötzlich selbst zum einschränkenden Faktor und führt – wenn Ressourcenknappheit Mangelzustände auslöst – zweifelsohne auch zu Kämpfen, wie Hobbes sie beschreibt. Darum werden wir nicht umhinkommen, unsere Auslegung von Freiheit zu überdenken. Immer mehr zu fordern, an der Mär vom ewigen Wachstum festzuhalten, ist vielleicht ein in uns angelegtes Streben, wer dem allerdings nachgibt, handelt wenig vernünftig. Schlimmer noch: Appelle an die Vernunft verhallen vielfach. Stecken wir also in einem Freiheit-Dilemma?

Sicherheit statt Freiheit

Natürlich stellt sich angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, die Frage, ob ein Staat, der die Freiheit der Bürger*innen maßgeblich einschränkt, um zum Beispiel die

Klimakatastrophe aufzuhalten oder eine Pandemie einzudämmen, legitim ist. Hobbes findet die Lösung in Gestalt des Leviathans – ohne, dass er diesen Prozess moralisch bewertet. Die Menschen schaffen den Leviathan durch das Abtreten ihrer Freiheit und dieser sorgt dafür, dass die Menschen in Frieden leben können, weil Frieden ihr höchster Wert ist. Dabei ist Hobbes Staatskonstrukt kein totalitäres im heutigen Sinne. Trotzdem birgt die geforderte Staatssouveränität ähnliches Gefahrenpotential wie der Naturzustand selbst. Wie Benjamin Franklin sinngemäß sagte, wird jener, der Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, am Ende möglicherweise beides verlieren. Der Mechanismus, der dahintersteckt, entspringt der Angst vor Freiheit.

Laut Erich Fromm neigt der Mensch dazu, „die Unabhängigkeit des eigenen Selbst aufzugeben und es mit irgend jemand oder irgend etwas außerhalb seiner selbst zu verschmelzen, um sich auf diese Weise die Kraft zu erwerben, die dem eigenen Selbst fehlt“. (…) „Indem man zum Bestandteil einer Macht wird, die man als unerschütterlich stark, ewig und bezaubernd empfindet, hat man auch teil an ihrer Stärke und Herrlichkeit. Man liefert sein Selbst aus und verzichtet auf alles, was an Kraft und Stolz damit zusammenhängt, man verliert seine Integrität als Individuum und verzichtet auf seine Freiheit. Aber man gewinnt dafür eine neue Sicherheit (…)“.

Die Gefahr liegt ganz eindeutig in der Abhängigkeit und dem möglichen Machtmissbrauch jener, die Sicherheit versprechen. Damit entsteht ein Teufelskreis, der sich geschichtlich schon etliche Male wiederholt hat. Wobei die Veränderungen stets auch unter dem Label der Freiheit in Gang gesetzt wurden. Für mich ist der wegweisende Punkt, der in Hobbes Betrachtungen steckt, und sie auch für unsere Zeit relevant macht, die Schaffung einer Lösung, die trotz Furcht und Ambivalenz aus den Individuen heraus verwirklicht wird.

Gleichzeitig ist es wichtig, über Hobbes hinauszugehen, den Menschen in seiner Komplexität anzuerkennen, was eben nicht nur seine Triebhaftigkeit, sondern auch seine Vernunft, also die Fähigkeit, Triebe zu kontrollieren, umfasst. Sind wir im positiven Sinne frei, haben wir die Möglichkeit abzuwägen, wie viel Freiheit wir bereit sind, aufzugeben, um anderen Werten wie zum Beispiel Gerechtigkeit oder Sicherheit Vorrang zu geben. Wir könnten also auch, obwohl es uns widerstrebt, auf Freiheiten verzichten. Wenn dieser Impuls von innen kommt, also eine eigene Gesetzgebung ist, bleiben wir frei.

Oder, um es abschließend mit Carlo Strenger zu sagen. „Der Liberalismus ist keine Heilslehre, mit der ein Paradies auf Erden geschaffen werden soll. Angesichts der barbarischen Alternativen sehe ich in der Kompetenz, mit den Entbehrungen der Freiheit zu leben, jedoch eine großartige zivilisatorische Errungenschaft“