Mokassins

Die Sache mit den Mokassins

Wenn es auf meiner Seite in der letzten Woche ein bisschen ruhiger war, dann liegt das nicht daran, dass ich des Schreibens müde geworden bin. Mir sind auch nicht die Themen ausgegangen, sondern ich musste meine Bachelorarbeit abgeben. Nun liegt sie im Postfach vom Prüfungsbüro des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität Berlin und wartet darauf, von zwei Prüfern begutachtet zu werden.

Da Franziska Giffey auch am OSI, wie unser Institut liebevoll genannt wird, studiert hat, gehe ich mal davon aus, dass alles sehr gründlich geprüft wird. Noch so einen Lapsus kann sich die FU nicht leisten – man kann ja nie wissen, was aus den Studierenden wird. Vielleicht bin ich ja auch mal Bürgermeisterin von Berlin und dann sollte alles wasserdicht sein. Also habe ich dementsprechend achtsam mein Thema bearbeitet. Nun heißt es abwarten und den Blick und die Gedanken wieder mehr nach außen richten.

Und was sehe ich da? Streitereien. Die Ampel fetzt sich, auf Twitter liefern sich Politikwissenschaftler Zweikämpfe und irgendwie scheint die Stimmung insgesamt nicht die beste zu sein. Wir gegen die, unten gegen oben. Ganz schön auf Krawall gebürstet alle und scheinbar kaum mehr willens, den anderen zu verstehen.

Dabei ist Empathie uns in die Wiege gelegt. Na ja, das stimmt nicht ganz, wir bilden sie aus und man muss sie schon auch trainieren. Aber festzuhalten ist, dass wir grundsätzlich in der Lage sind, empathisch zu reagieren und zu agieren. Wir wissen also, wie das geht – einen Mond lang in den Mokassins des anderen zu wandern –, wie es eine indianische Weisheit vorschlägt. Nur mit der Umsetzung – da hapert es. Und so ein Mond ist ja auch ziemlich lang. Um genau zu sein: 28 Tage. Wer hat so viel Zeit? Da ist es natürlich viel einfacher, den anderen aus dem Brass heraus in zwei oder drei Sekunden zu zerlegen. Fühlt man sich danach besser? Nein. Vielleicht einen kurzen Moment.

Besser würden wir uns fühlen, wenn wir dem anderen begegnen. Wir müssen ja nicht gleich die Schuhe für 28 Tage tauschen, aber zu verstehen, warum ein Mensch so oder anders handelt, so oder anders reagiert, sich so oder anders entscheidet, wäre schon mal ein Anfang. Ist das mühsam? Ja. Ist es. Warum? Weil wir im anderen – vor allem in jenen Menschen, denen wir ganz gern aus dem Weg gehen würden, oft etwas erkennen, das wir an uns selbst nicht mögen. Oder wir sehen im anderen, wie es um uns selbst steht. Das kann unangenehm sein. Arno Gruen, den ich ja gern mal zitiere, sagt, dass in den meisten von uns ein Selbst wohnt, das wir hassen. Dem in die Augen zu schauen, kann unangenehm sein. Darum weichen wir auf Nebenkriegsschauplätze aus.

Leider hat dieses Selbst, wenn es dann nicht geliebt wird, die unangenehme Eigenschaft, ein Eigenleben zu führen und nicht nur verdrängte und abgespaltene Gefühle zu bündeln, sondern auch unsere Lebendigkeit und Lebensfreude zu drosseln. Klar, dass man diese Erkenntnis lieb…