Gestern hat Boris Pistorius eine der wohl bedeutendsten Reden gehalten, die ich in den letzten Jahren gehört habe. Er hat sie an den amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance gerichtet und damit natürlich auch an Trump.
Ich weiß nicht, wie tief du dich mit dem, was gerade in den USA passiert, auseinandersetzt. Viele in meinem Umfeld sagen, dass es ihnen egal ist, was da gemacht wird, weil Trump eh in vier Jahren wieder weg ist. Oder weil uns das, was er da macht, nicht tangiert.
Ich glaube, man kann momentan kaum einem größeren Irrtum aufsitzen. Was Trump und seine Regierung inszenieren, greift fundamental in die Weltordnung und auch in unsere Politik ein. Ich musste dabei in den letzten Tagen oft an das Buch „Wir können auch anders“ von Maja Göpel denken.
Sie erzählt gleich zu Beginn des Buches von einem Planspiel, das der Psychologe Prof. Dietrich Dörner gemeinsam mit Kollegen entwickelt hat: Tanaland. Die Studierenden, die bei diesem Planspiel mitmachten, bekamen die Information, dass Tanaland ein fiktives Land in Ostafrika sei, dessen Wohlergehen sie durch geeignete Maßnahmen verbessern sollten. Erlaubt war alles – von politischen Eingriffen bis hin zu baulichen Veränderungen. Natürlich lebten in Tanaland auch Menschen, zwei Stämme – die einen Bauern, die anderen Nomaden.
Emsig versuchten die Studierenden das Leben aller zu verbessern. Sie bauten Dämme, legten Brunnen an, setzten Insektizide ein, um Ernten zu verbessern. Um es abzukürzen: Die meisten scheiterten. Nach ihren Interventionen glich Tanaland in kürzester Zeit mehr oder weniger einem Schlachtfeld. Dörner brachte das Drama der Gescheiterten in einem Satz auf den Punkt:
„Schlechte Versuchspersonen produzierten statt Hypothesen Wahrheiten.“
Ich kann gar nicht anders: Wenn ich diesen Satz lese, sehe ich Trump vor mir, wie er mit seinem schwarzen Stift Dekret für Dekret unterzeichnet und Wahrheiten schafft. Er verfolgt mit jedem einzelnen ein Ziel, aber er lässt die Komplexität der Systeme, in die er eingreift, außer Acht.
Schon in den letzten Wochen konnte man (wenn man gezielt gesucht hat) einiges davon in der Presse lesen. Zum Beispiel die Auswirkungen der Abwicklung der Entwicklungsagentur USAID. Trump will Geld sparen, was aber tatsächlich passiert, ist, dass viele Farmer im eigenen Land, die für USAID produziert hatten, nun plötzlich ihre Waren nicht mehr loswerden.
Des Weiteren durften die Hilfsgüter nur auf amerikanischen Schiffen in die verschiedenen Länder transportiert werden. Nun wird nichts mehr transportiert: Leidtragende sind also nicht nur jene, bei denen keine Hilfe mehr ankommt, sondern auch die Menschen in den USA, die Teil des Systems waren und nun kein Geld mehr verdienen oder keine Arbeit mehr haben.
Das ist längst noch nicht das Ende der Kette, aber ich denke, der Punkt ist klar. Nun hat gerade heute ein Gericht diesen Wahnsinn vorerst gestoppt. Aber wenn wir beobachten, wie Trump und Elon Musk (Was hat der eigentlich im Oval Office zu suchen?) agieren, dann kann man damit rechnen, dass die Gewaltenteilung in den USA bald Geschichte sein wird. Dann wird „durchregiert“ und das komplett ohne Korrektiv.
Was da abläuft, ist nicht weniger als ein Staatsstreich und man kann eigentlich nur hoffen, dass die Amerikaner*innen sich dem möglichst bald widersetzen.
Aber zurück zu Deutschland. Vance hat gestern in seiner Rede das getan, was Narzissten gern tun: Er hat die eigene Unverfrorenheit und den eigenen miesen Charakter auf andere projiziert. Gerade lese ich, dass Trump die AP (Associated Press) dauerhaft aus dem Oval Office und der Air Force One ausgeschlossen hat, weil sie sich weigern, seinen Federstrich, den Golf von Mexiko umzubenennen, auszuführen. Was für eine Angst müssen diese Leute vor der Wahrheit haben? Denen wird das Land um die Ohren fliegen und am Ende werden sie andere beschuldigen.
Pistorius hat zumindest Vance in angemessener Form geantwortet. Ob das angekommen ist, wage ich zu bezweifeln. Klar ist auf jeden Fall: Amerika agiert nicht nur kolonial, sondern einspurig. Wir sind Tanaland für Milliardäre und wenn wir nicht aufpassen, dann zerstört die Gier nach Geld, Macht und Einfluss nicht nur organisch gewachsene und fein verwobene Sozial- und Ökosysteme, sondern das, was wir als „unser Land“ bezeichnen.
Wir sollten wachsam sein, eher aufwachen als die Amerikaner und Trumps Planspielen etwas entgegensetzen. Dazu brauchen wir eine Regierung, die einen Plan hat und die die Brandmauer gegen die AfD stabil hält.
Alles andere wäre fatal.