Was wird aus einem, der von sich selbst sagt, dass Erfolge ursprünglich nicht in seinen Lebensplan eingeschrieben waren? Der in einer Pizza und einer CD sein Glück und seine Zufriedenheit sah? Der Weg des Unternehmers Stefan Maier zeigt, dass die Voraussetzungen, mit denen wir ins Leben starten, nicht zwangsläufig die Leitplanken bleiben müssen.
Stefan Maier ist in der Nähe von Koblenz aufgewachsen. Seine Eltern trennten sich, als er drei Jahre alt war und gaben ihn und seinen Bruder zu den Großeltern. Während der Bruder nach ein paar Jahren zur Mutter zurückkehrte, blieb Stefan in ihrer Obhut und wurde, wie er sagt, „stark geprägt durch die ziemlich betagten Erziehungsberechtigten“. Gleichzeitig betont er, wie aufopferungsvoll sie sich um ihn gekümmert haben. „Sie waren nicht gerade vermögend, meine Oma hat aufgehört zu arbeiten, damit sie sich um mich kümmern konnte.“ Insgesamt sei er „relativ unspektakulär groß geworden“. Festgesetzt hat sich allerdings in der Erinnerung, dass er schon früh Anpassungsprobleme hatte, was sich vor allem auch in den schulischen Leistungen niedergeschlagen hat. „Die waren katastrophal und insgesamt war das bestimmt nicht meine rühmlichste Zeit.“
Viel ließe sich in diese Zeit hineininterpretieren, bemerkt Stefan selbst. War er nicht lernfähig? „Wer nach zehn Jahren einen Hauptschulabschluss mit 3,5 hinlegt, definiert sich eventuell darüber, unangenehm aufzufallen.“ Ging es um negative Anerkennung? Um Rebellion? Die kam später, mit 18. Als er ausbrach, zurück zur Mutter ging, aber das, wonach er sich sehnte, nicht bekam. Bis heute existiert keine tiefgehende, emotionale Beziehung zur Mutter, Kontakt zum Vater gibt es gar nicht. Und auch wenn Stefan seine Kindheit darüber hinaus als langweilig und unspektakulär beschreibt, hat sie tiefe Spuren hinterlassen. Ein klassischer Familienmensch ist er bis heute nicht.
Spuren hinterlassen hat zudem noch etwas anderes: Unweit der Wohnung der Großeltern gab es den Plaidter Hummerich, einen Vulkan, von dem unter anderem Bims in großem Stil abgetragen wurde und zwar so intensiv, dass der einst stolze Berg fast verschwunden ist. „Das hat mir als Kind gezeigt, wie Menschen in die Natur eingreifen und sie verändern.“
Vom Gelegenheitsarbeiter zum Top-Verkäufer
Nach dem Schulabschluss und seinem Auszug begann Stefan eine Ausbildung zum Gärtner. Dieser Ausbildung schlossen sich, wie er selbst sagt, sehr orientierungslose Jahre an. “Ich habe im Fitnessstudio gearbeitet, bin Taxi gefahren, habe Gerüste gebaut, Fenster eingebaut, gejobbt eben. Ich war Gelegenheitsarbeiter, habe geschaut, wo ich ein bisschen Geld verdienen kann und habe sparsam gelebt. Materielles hat mich nicht interessiert.“ Eine eigenartige Zeit sei das gewesen und vermutlich wäre es so weitergegangen, hätte ein Freund ihm nicht von der Möglichkeit erzählt, bei der Firma Würth eine Ausbildung zum Verkäufer zu machen. Sie wetteten um eine Pizza, dass Stefan sich bewirbt, allerdings mit Schlips – das war die Bedingung.
Die Pizza hat er gewonnen und den Job hatte er sicher. „Das war unglaublich, echt verrückt. Damit hat sich mein Berufsleben komplett verändert. Würth ist kein Unternehmen, das ich besonders schätze, aber ich habe dort sehr viel gelernt, habe mich weiterentwickeln können.“
„Weiterentwickeln“ ist eine starke Untertreibung für das, was dann geschah. Stefan übernahm ein Verkaufsgebiet in der Eifel, wechselte nach drei Jahren ins mittlere Management. „Als ich mein Verkaufsgebiet abgegeben habe, wurden vier Leute eingestellt, um das Ergebnis zu halten, was ich dort produziert habe.“ Angetrieben habe ihn damals weniger die Freude an seinem Job, als vielmehr die Chance, seinen Horizont zu erweitern, sich mit Dingen zu befassen, die ihm bis dato fremd waren. Sokrates zum Beispiel. „Meine Oma war ein absoluter Büchernarr, aber sie hat nie mit mir über die Bücher gesprochen. Das war eben die Kriegsgeneration, die waren ausgebombt worden, hatten eine extrem schwere Zeit, vor allem auch, als mein Opa noch im Krieg war. Darüber gab es aber keine Gespräche. Auch nicht über Philosophie oder Politik. Man hat halt den Willy gewählt und später dann den Helmut und mehr gab es dazu nicht zu sagen.“
Sechs Jahre war Stefan bei Würth, hat Verkaufsbezirke aufbauen können, einen Bezirk komplett geleitet. „Langfristige Beziehung zu meinen Kunden, also sie auch wirklich langfristig zu betreuen und ein Gebiet systematisch aufzubauen – das hat mir Freude bereitet.“ Und trotzdem blieb es auch surreal. „In der Branche gibt es – wie in einigen anderen – ein extremes Belohnungssystem. Wenn du sehr gut bist, kannst du unglaublich viel Geld verdienen.“
Stefan war sehr gut und somit schnell in einem sogenannten Top Club – einem Club, dem die weltweit besten Verkäufer*innen angehören. Er reiste nach New York, nach Mexiko, war auf den Bermudas. „In der Zeit ist ein Fenster aufgegangen, das einen alten Glaubenssatz – nämlich den, dass ich zu »doof« bin – in Frage gestellt hat. Plötzlich dachte ich, dass ich mehr kann und vor allem auch, etwas anderes tun kann.“
Raus aus dem System und trotzdem drin
Die Konsequenz war, dass er ausstieg. Raus aus dem System, in dem man Menschen durch Geld, Reisen und große Autos steuert. „Ich dachte, sonst habe ich irgendwann nur noch Rabatte, Schrauben und große Autos im Kopf.“ Dass alle ihn für komplett verrückt hielten, ignorierte er. Sein Weg führte ihn zunächst in eine Firma, die gusseiserne Ofentore produzierte und dann auf Empfehlung zu einem Unternehmen, das Rechenzentren baute. Das Kuriose daran, Stefan besaß bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal einen Rechner, geschweige denn hatte er ein Studium absolviert. „Das war auch wieder total crazy. Wir sprechen hier über die Firma Lampertz – damals der Monopolist. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch beim Geschäftsführer, und ich habe es geschafft, dass er von zwei Stunden eine Stunde und 55 Minuten gesprochen und mich anschließend eingestellt hat.“
Mittlerweile war Stefan Anfang 30, wieder Junggeselle und somit frei wie ein Vogel. Dass er mit seinen Reisen und seinem Lebensstil einen immensen CO²-Fußabdruck hinterließ, spielte damals noch keine Rolle. Bei Lambertz wollte er auch erst einmal „schauen“, war sich sicher, „dass er sich nicht ewig halten wird“. Dass er den Ansprüchen nicht genügt. „Ich weiß noch genau, wie ich ein Team übernehmen sollte. Ich hatte plötzlich zehn, zwölf gestandene Verkäufer vor mir, habe mich hingestellt und gesagt: »Also okay, passt auf, ich habe von nichts eine Ahnung, aber ich will das mit euch machen.« Die haben mich angeguckt wie ein Auto. Was daran lag, dass man ihnen zugesagt hatte, dass ein echter Fachmann aus der Branche kommt. Wir wurden damals zu dritt eingestellt, also drei Verkaufsleiter. Und nach einem halben Jahr war nur noch ich da. Die anderen zwei, die eigentlich vom Fach kamen, waren wieder weg.“
Trotz des Erfolges, so sagt Stefan, „hat es irgendwie nicht funktioniert“. Nach weiteren Umbrüchen kam er zu dem Schluss, dass er selbst ein Unternehmen aufbauen möchte. Voraussetzung: Er hat die absolute Mehrheit, sodass er das Unternehmen so führen und aufbauen kann, wie er es für richtig hält. Das war die Prior1 – eine GmbH, die nicht nur nach Gemeinwohl-ökonomischen Standards zertifiziert ist, sondern auf vielen Ebenen als Stern in einer Branche leuchtet, die alles andere als klimaschonend ist. Aber dazu später mehr.
Erinnern und Anknüpfen
Stefans persönliches Engagement folgt ebenso wie sein beruflicher Weg keinem Muster. „Erste Berührungspunkte mit dem Thema Nachhaltigkeit gab es, als ich 18 war. Damals hatte ich einen Freund, der BWL studierte, und der mir von dem Buch „Die Grenzen des Wachstums“ erzählte. Ich habe das Buch gelesen, aber aufgrund meiner mangelhaften Bildung war das irrsinnig schwer für mich. Trotzdem habe ich verstanden, worum es geht, zumal das auch die Zeit fiel, als saurer Regen, Robin Wood und Tempo 100 schon Themen waren.
Greenpeace war meine erste Anlaufstelle, allerdings war ich dort nur für kurze Zeit. Grund war, dass ich mich nicht wohlgefühlt habe, was sicher auch ein intellektuelles Problem war. Ich war eben nicht so gebildet und trotzdem sprachen mich die Themen an. Aber wie das so ist – dann kam meine Zeit bei Würth, das Geldverdienen und die Möglichkeit, große Autos zu fahren, begann. Wir reden hier von den Verführungen. Plötzlich gab es die Möglichkeit, in der Welt herumzufliegen, also habe ich meine Impulse, mich mit Umweltthemen zu beschäftigen, verdrängt. Aber immer, wenn ich im Radio etwas gehört habe, wenn es Umweltkatastrophen oder ähnliches gab, verspürte ich im Bauch einen Stich. Mir war bewusst, dass das alles so nicht funktionieren kann. Aber ich wollte mich dieser Erkenntnis nicht stellen und vertrat eher die Meinung, dass das alles schon irgendwie wird. Dass die Politik das schon richtet.“
Bis der Verdrängungsmechanismus nicht mehr funktionierte. Das war spätestens nach der Geburt seiner Tochter. Ab da stellte sich Stefan immer öfter die Frage, was wir hier auf dieser Erde anrichten. Und als er 2008 Prior1 gründete, war für ihn klar, dass er an dem Thema Nachhaltigkeit nicht vorbei will und dass er unter diesem Begriff auch besonders intensiv auf das Soziale schauen wird. „Also darauf, wie es den Menschen in meinem Umfeld geht.“
Die nächste „Erweckung“ kam 2015, als Stefan über das Buch „Kapitalismus vs. Klima“ von Naomi Klein stolperte, das, wie er selbst sagt, alles komplett umgekrempelt hat. Stefan war in diesem Moment klar, dass es so nicht mehr weitergeht. Also hat er sich damit beschäftigt, wo er sich engagieren und wie er sich einbringen kann. Darüber ist er bei verschiedenen Umweltorganisationen gelandet, unter anderem auch wieder bei Greenpeace, wo er sich bis heute am stärksten engagiert.
Stefan meint, dass es eine späte Erkenntnis war und dass er sich gern dafür entschuldigen würde, dass er nicht früher schon präsent war. „Aber die Verlockung war damals für mich als junger Mann einfach zu groß. Hinter dem klassischen Erfolgsmodell hinterherzulaufen war anziehender, als die Umwelt zu schützen.“
Dass ihm der Wandel gelungen ist, lässt sich an der Kultur ablesen, die bei Prior1 herrscht und er spiegelt sich ebenso in seinem persönlichen Engagement wider. Er betont, dass es ihm bei Prior1 von Beginn an auf ein faires Miteinander ankam. „Mir war und ist Wertschätzung untereinander wichtig. „Klar hat jeder einen anderen Job. Und natürlich hat auch ein Geschäftsführer einen anderen Job als jemand, der oder die an einer anderen Position sitzt. Und trotzdem sind wir alle gleich. Selbst wenn die Menschen anders drauf sind, ich deren Meinung nicht teile oder sie auch mal Dinge tun, die mir nicht gefallen. Das passiert natürlich, aber ich trenne zwischen dem Mensch und der Sache. Ich sage dann: »Ok, damit kann ich jetzt nicht leben.« Das heißt aber nicht: »Ich kann nicht mit mir leben«.“
Was bleibt?
Was er bedauert? Dass Prior1 mittlerweile über mehrere Standorte verteilt ist und er den Eindruck hat, dass sich dieser beschriebene soziale Ansatz aufgrund der Größe reduziert. „Wir sind bald 100 Menschen, die erreiche ich natürlich nicht mehr alle. Auch nicht mit meinen Botschaften. Wenn ich früher über das Thema Umwelt gesprochen habe, habe ich gemerkt, dass ich Betroffenheit erzielen konnte. Und das wird immer schwerer.“
Trotzdem gibt es für Stefan Maier keinen anderen Weg mehr, als nach seinen Werten zu leben. Nach den Erfahrungen bei Würth, bei Lampertz, dem Ofentoren-Hersteller und bei einer Aktiengesellschaft, wo er einen Vorstandsposten bekleidete, empfindet er für die Art der zwischenmenschlichen Kommunikation und dem Umgang in solchen Konzernen oder Firmen fast schon Ekel. „So etwas möchte ich einfach niemals haben. Niemand hat das Recht, andere Menschen anzubrüllen. Keiner hat das Recht, jemand anderes schlecht zu behandeln.“
Er sagt, dass er darum auch jene „Spiele“ nicht mitspielt, die in der Geschäftswelt gang und gäbe sind. „Das mache ich alles nicht mit. Das zerstört das Betriebsklima.“ Stefan stellt sich eher die Frage, was das mit den Menschen macht. Entweder man will etwas zusammen erreichen oder nicht. Entweder will man zusammenarbeiten oder nicht. Und im schlimmsten Fall muss man eben eine Abfindung zahlen. „Das ist dann bitter, aber das ist halt so. Am Ende geht es um Wertschätzung.“
Stefan lächelt und erzählt passend dazu eine kleine Anekdote: „Vor einiger Zeit gab es bei Prior1 ein Training für 13 Mitarbeitende zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation“. Und natürlich wird bei so einer Veranstaltung auch über den Chef gesprochen. Und da muss wohl einer der Monteure gesagt haben: »Der Stefan, der ist eine Blume«. Das war natürlich der Running Gag für viele Wochen: Stefan, das Blümchen. Aber es zeigt auch irgendwie, dass die Mitarbeitenden anerkennen, dass wir uns hier bemühen.“
Und auch das hat für Stefan etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Zusätzlich dazu, dass sein Unternehmen die Sternenbrücke, eine Schule für Kinder mit Behinderungen und Unternehmerinnen in Afrika unterstützt. Das sind zwar alles kleine Geldbeträge, wie er sagt, aber er ist überzeugt, dass der Umgang miteinander, untereinander und eben auch mit den Kunden, einen Unterschied macht.
Stefan ist auch nicht der Einzige, der im Unternehmen die Initiative für Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein ergreift. „Neben mir gibt es noch einen weiteren Kollegen, der das Klima bei Prior1 sehr geprägt hat: Martin Weber, einer der Held*innen aus dem Buch „Held*innen des Alltags“. Er hat mir damals extrem geholfen, nachdem ich Naomi Klein gelesen hatte und gar nicht richtig wusste, wo ich beginnen soll, durch sein Sein, durch sein Tun, durch sein Handeln. Er war damals schon in Gorleben aktiv und hat sich anderweitig engagiert. Später wurde er als Nachhaltigkeitsbeauftragter bei der Prior1 eingesetzt, hat hier viele Dinge umgesetzt und mit mir gemeinsam die Mitgliedschaft in der Gemeinwohlökonomie angestoßen. Martin war ein starker Initiator.“
Trotzdem: Die Kultur und wie sie im Sinne der Nachhaltigkeit bei Prior1 gelebt wird, geht auf Stefan zurück. Und er weiß, dass seine Zeit als Geschäftsführer endlich ist und zerbricht sich jetzt schon den Kopf darüber, wie das Ganze in seinem Sinne fortgeführt werden kann. Und vor allem auch, wie wichtig und prägend das für diese Firma ist. „Ich erlebe das gerade, weil wir momentan viele Gespräche mit Menschen haben, die von außen auf die Firma gucken und die uns spiegeln, wie wertvoll diese Unternehmenskultur ist und was sie bedeutet.“
Umso bitterer für ihn, dass es relativ wenige gibt, die das ernsthaft so sehen. „Ich habe es in den Jahren geschafft, mich komplett aus dem Operativen herauszuziehen, habe keinen einzigen Kundenkontakt mehr. Das Business läuft ohne mich, aber ich weiß nicht, wie die Prior1 als Einheit, als Kultur, als Team, also so, wie sie heute ist, weiterbesteht, wenn ich nicht mehr hier bin. Ich habe das Gefühl, es nicht geschafft zu haben, diesen Wert wirklich zu vermitteln. Mal ganz unabhängig davon, wie wichtig das unsere Erde ist. Aber selbst das – also den ökonomische Wert von Unternehmen –, das verstehen viele nicht.“
Stefan war stets wichtig, seinen Kunden nur das zu verkaufen, was die Kunden wirklich brauchen, kein Stück mehr. Nie wollte er Kunden übervorteilen und er ist sich sehr bewusst, dass alles, was seine Firma in die Welt setzt, ihr letztendlich schadet. „Also halten wir das, was wir tun, so klein wie möglich. Und ich merke immer wieder, wie das nicht ankommt. „Dann verschenken wir doch Umsatz und so…“, kommt dann als Argument.“ Ein kleiner Wehrmutstropfen.
Verbieten? Nein. Überzeugen? Ja.
Will er andere überzeugen? Ja und nein. „Da habe ich verschiedene Anteile in mir. Zum einen gibt es den Greenpeacer, der tatsächlich rausgeht, um zu überzeugen. Ich möchte einem Menschen, der vor mir steht, einen Gedanken mitgeben, klarmachen, dass er mich mit seinem riesigen SUV nicht begeistert. Im Gegenteil, dass ich es eher lächerlich finde. Ich genieße das immer, wenn ich mich in Unternehmerkreisen bewege, wo sie mit ihrem Porsche oder mit ihrem Ranchrover stehen und ich komme mit dem Bus oder mit unserem kleinen Fiat. Lustigerweise führe ich dann oft das Gespräch über Autos, nicht die anderen. Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass man schönere Dinge machen kann, als in so einem Dekadenz-Panzer zu stecken.“
Wichtig ist ihm auch, über Engagement und Werte zu sprechen oder Vorträgen zu halten. Wenn er bei den Rotariern vor Unternehmer*innen steht und die Chance hat, seine Gedanken und seine Sicht auf die Dinge zu teilen, dann erfüllt ihn das. Gleichzeitig versucht er, damit etwas Neues ins Denken zu bringen. „Wir dürfen die Menschen nicht mehr dafür bewundern, dass sie zum Cocktail trinken nach New York fliegen oder sich den riesigen Porsche kaufen.“ Stefan will die Bewunderung stattdessen denen zukommen lassen, die im Krankenhaus Menschen helfen oder samstagmorgens mit geflüchteten Kindern Bücher lesen. Sie verdienen es, bewundert zu werden. „Das versuche ich andere spüren zu lassen. Und da muss ich immer wieder aufpassen, dass ich mich nicht als Gutmensch oder als besser Mensch darstelle. Das bin ich nicht. Darum warte ich auch gerne, bis die Menschen zu mir kommen und mich dann ansprechen.“
Aber sagt sich das nicht leicht aus der Perspektive eines Mannes, der im Grunde alles schon erlebt hat? Der gereist ist, der teure Autos hatte? Der an der Spitze eines Unternehmens steht? Stefan antwortet, dass er jede*n verstehen kann, der das sagt. Er kann auch alle verstehen, die die Welt sehen, Kulturen erleben und verbinden wollen. „Jeder hat das Recht dazu. Aber ich unterstütze das nicht. Und was für mich nicht mehr akzeptabel ist, ist, dass Menschen einfach nur, um sich am Wochenende volllaufen zu lassen, zum Ballermann fliegen. Oder zum Einkaufen nach New York oder drei bis viermal im Jahr in den Urlaub. Da habe ich meine Schwierigkeiten mit.
Zehn Prozent der Menschen sind für 50 Prozent des CO²-Ausstoßes verantwortlich. Und die Superreichen sind natürlich jenseits von allem. Wenn ich höre, dass Taylor Swift mit ihrem Flugzeug im Jahr 1500 Tonnen CO² abballert, da weiß ich, dass wir darangehen müssen. Das ist doch absurd.“ Ergänzend fügt er hinzu: „Na klar können die Leute immer sagen: »Du aus deiner Position heraus hast leicht reden.« Das war auch schon immer so. Als wir eine ganz kleine Firma waren, also vier, fünf Mitarbeitende und angefangen haben, nachhaltig zu wirtschaften, da hat jeder gesagt: »Na ja, das könnt ihr tun, weil ihr so klein seid.« Und wenn ich heute einen Vortrag vor Unternehmer*innen halte, die kleinere Unternehmen führen, dann sagen die: »Das könnt ihr nur machen, weil ihr so groß seid«“.
Stefan weiß, dass sich das Rad nicht zurückdrehen lässt. „Aber ich bitte die Menschen, die als Erwachsene gesehen werden wollen, dass sie überlegen, was ihre Werte sind. Ist ihr Wert die Pauschalreise, das dicke Auto oder sind es gute Beziehungen und eine gesunde Umwelt?“
Der Weg ist also nicht, jemandem etwas zu verbieten. Eher regt Stefan zum Nachdenken darüber an, was wir da eigentlich tun. „Also wenn mir ein erwachsener Mensch mit Kindern erzählt, dass er von Köln nach Amsterdam zu einem Fußballspiel fliegt, dann schaue ich ihn an wie ein Auto und denke: »Bist du noch ganz bei Trost? Bist du noch da?« Ich glaube, wir müssen die Menschen darauf ansprechen. Ich kann denjenigen sicher nicht davon abgehalten, nach Amsterdam zu fliegen, aber beim nächsten Mal wird er sich vielleicht schon etwas schwerer damit tun. Und vielleicht schämt er sich sogar irgendwann. Aber da gebe ich mich keiner Illusion hin, es wird immer Menschen geben, die danach streben.“
Auf die Frage, was sich Stefan von der Fee mit dem Zauberstab wünschen würde, hat er eine klare Antwort: Klimaveränderung bremsen und umkehren, Frieden auf der Welt und Gerechtigkeit. „Es kann nicht sein, dass woanders auf der Erde Menschen unmittelbar mit ihrem Leben unseren Lebensstil bezahlen. Dass Kinder in Löcher nach Rohstoffen buddeln müssen, damit wir guten Gewissens saubere Autos fahren können. Das funktioniert nicht mehr. Dass wir hier Textilien tragen und die, die sie produzieren, mit 20 Jahren sterben, weil sie vergiftet sind.
Und worauf ist er stolz?
„Darauf, dass ich viele Dinge getan hab, die eigentlich nicht vorstellbar waren. Ich bin zwar nie irgendwo Weltmeister geworden, aber es gab viele Bereiche, bei denen ich nicht gedacht habe, dass ich mich da weiterentwickle. Ich war wirklich schlecht in der Schule und heute führe ich ein Unternehmen, in dem Ingenieure und hochqualifizierte Menschen arbeiten. Ich war immer ein grottenschlechter Sportler, habe aber mit 50 einen Ironman gemacht. Ich war Legastheniker, konnte aber ein Buch schreiben. Philosophie und Nachhaltigkeit im heutigen Sinne waren keine Themen in meiner Familie und trotzdem beschäftige ich mich heute damit. Und stolz bin ich auf das, was ich mit meiner Firma aufgebaut habe. Wobei das kein Stolz ist, mit dem ich mich brüsten will, aber es macht mich glücklich.“
Interessant ist, dass das Thema Geld für Stefan nie wichtig war. Er hat gern Geld, sagt er, aber es hat keinen sinnlichen Wert für ihn und es dominiert nicht sein Handeln. Eigentum hat er nicht, besitzt auch kein Haus und fühlt sich damit frei. Lieber als selbst Besitztümer anzuhäufen, tut er damit Sinnvolles. “Einen großer Teil von unserem Gewinn geben wir zum Beispiel auch an unsere Mitarbeitenden ab. Freiwillig. Aktuell haben wir für 50.000 Euro eine Zusatzversicherung-Krankenversicherung für unsere Mitarbeitenden abgeschlossen. Wenn man trotz solcher Ausgaben den Kühlschrank voll hat, das ist dann schon irgendwie cool.“
Cool ist auch, dass Stefan seit 2020 einen Strafgefangenen in der JVA Siegburg betreut, der zu lebenslanger Haft verurteilt ist. Hier setzt er seinen Wunsch, sich neben dem Einsatz für die Umwelt auch für Menschen engagieren, um. Scheut sich auch nicht, dorthin zu gehen, wo andere eher wegschauen. Stefan vertritt die Meinung, dass jeder Mensch zählt und ein Recht darauf hat, auch so behandelt zu werden – selbst dann, wenn sie Schlimmes getan haben und eine berechtigte Strafe verbüßen.
All das sind Dinge, die er sich früher nie zugetraut hätte. Auf die Frage eines Freundes wie er Reichtum definiert, hat er mal geäußert: „Ich glaube, wenn ich jede Woche eine Pizza essen kann und mir mindestens einmal im Monat eine CD kaufen kann. Dann wäre doch alles cool.“ Vielmehr ist es geworden. Mehr für sich persönlich im Sinne der Entwicklung und mehr für die Menschen, die die Freude haben, mit ihm zu leben, zu wirken und zu arbeiten und für die er heute ein Kompass ist.