Skribble-Bild über unser Wirtschaftssystem

Purpose – eine Filmkritik


Immer auf der Suche nach Antworten auf die Frage, wie wir die Masse der Menschen bewegen können, sich für Klimaschutz und gegen die zunehmende Spaltung der Gesellschaft einzusetzen, war ich vor ein paar Tagen bei der Deutschlandpremiere von Purpose – Wellbeing Economy Film.

Ins Leben gebracht hat den Film Martin Oetting. Ich bin ihm 2017 das erste Mal begegnet, damals im CRLR House in Neukölln, wo er und Kai Schächtele die Show „vollehalle“ auf die Bühne gebracht haben. Auch eine Premiere.

„Vollehalle“ war eine Show, die zwei Aspekte vereinte: Die Verwunderung und Verzweiflung der beiden Macher angesichts der Weltlage in Sachen Klimakrise und Gesellschaft, und gleichzeitig der unbedingte Wille, etwas verändern zu wollen. Ein Zeichen zu setzen, nicht tatenlos zuzusehen. Mich hat das damals so beeindruckt, dass ich den Kontakt gesucht habe und so sind wir seit diesem Zeitpunkt lose verbunden.

Warum ich das erzähle? Weil sich einiges von dem, was mich damals bei „vollehalle“ schon fasziniert hat, auch in Purpose wiederfindet. Aber von Anfang an.

Wellbeing Economy – das klingt ein bisschen nach Wohlfühl, nach Wellness, nach Ausruhen, nach Abschalten. Aber im Zusammenhang mit Ökonomie? Wie soll das gehen? Wenn der Abspann von Purpose läuft, hat man verstanden, wie es funktioniert. Dass es um eine neue Art, Wirtschaft zu denken geht. Nicht aus einer Wohlfühlblase heraus, sondern mit dem Fokus auf messbare Kennziffern, die das Wohlergehen von Mensch und Erde abbilden.

Bisher wird Wirtschaftsleistung über das BIP (Bruttoinlandsprodukt) gemessen – also darüber, wie viel in einem Land in einer bestimmten Zeit wirtschaftlich geleistet wurde. Absurd ist, dass in diesem Bruttoinlandsprodukt nicht abgebildet wird, ob das, was wir Wirtschaft nennen, und von dem wir immer hoffen, dass sie wächst, den Menschen dient oder schadet.

Ein Baum, der Kohlendioxid aus der Atmosphäre filtert, zählt nicht. Erst, wenn er zu Holz verarbeitet wurde, findet er seinen Weg ins BIP. Straßenbau hilft der Wirtschaft, dass durch die Flächenversiegelung weniger Wasser versickern kann und damit die Gefahr von Hochwasserereignissen steigt, zählt nicht. Und so ließe sich die Liste fortsetzen.

Auch Martin stößt auf dieses Phänomen. In einem Interview mit dem Postwachstumsblog sagt er dazu:

„Es ist unser Wirtschaftssystem, das hier alles kaputt macht – unsere Demokratien, unsere Gesellschaften, unseren Zusammenhalt, unsere Psyche, und natürlich vor allem die Natur, deren Teil wir sind und die wir zum Überleben brauchen.“ 

Genau an dieser Stelle setzt der Film an und begleitet zwei Protagonist*innen – Katherine Trebeck und Lorenzo Fioramonti – bei ihren Bemühungen, eine Länderallianz zu schmieden, die eine neue Art des wirtschaftlichen Denkens umsetzen wollen: Wellbeing Economy.

Die Wellbeing Economy richtet sich auf das aus, was für die Menschen und für unsere Erde wirklich zählt. Also nicht darauf, immer mehr zu erwirtschaften, sondern mehr von dem, was uns dient. 

Das allein wäre einen Film wert. Aber Purpose erzählt noch mehr. Nämlich davon, wie unglaublich schwer es ist, Menschen davon zu überzeugen, sich für das eigene Wohlergehen stark zu machen. Es schmerzt zu sehen, wie die beiden Protagonist*innen immer wieder an „politischer Faulheit“ wie Katherine Trebeck es nennt, scheitern. Wie fast schon geschmiedete Bündnisse wieder zerbröckeln und das „Weiter so“ uns wie ein schwerfälliger Ozeandampfer mit voller Kraft auf den Eisberg zusteuert.

Purpose bietet eine Lösung an, wo viele noch nicht einmal ein Problem sehen. Das wird sicher dazu führen, dass nicht jede*r beglückt oder euphorisch aus der Vorführung geht. Das ist allerdings auch nicht Anliegen des Films, wie Martin in unserem kleinen Interview sagt, das Du HIER lesen kannst: 

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht so genau, wie es aussieht, wenn durch einen Film etwas ins Rollen kommt. Ich glaube nicht, dass man von einem Film erwarten kann oder soll, dass daraus direkt politische Resultate entstehen. Unser Film erzählt zunächst mal eine Geschichte. Er begleitet zwei Personen auf einem schwierigen Weg. Darin steckt eine implizite Einladung an das Publikum, sich mit diesen Gedanken und Ideen zu beschäftigen und eine eigene Haltung dazu zu entwickeln. Erstmal nicht mehr und nicht weniger.“

Zu wünschen wäre, dass der Film auch jene erreicht, die die Kennzahlen für das BIP festlegen. Korrekturen bzw. Reformen gibt es im Rhythmus von ca. zehn Jahren. 2025 ist es wieder soweit. Da treffen sich Statistiker*innen aus aller Welt in New York und debattieren darüber, welche Prioritäten aufgenommen werden. Nachhaltigkeit wird ein Punkt sein, auch die „Bepreisung“ der Pflegeleistung, die Angehörige oft erbringen, und die bisher nicht eingeflossen ist.

Die große Wende ist nicht zu erwarten, aber „Purpose“ zeigt, dass die Weichen gestellt sind, dass es Menschen gibt, die sich mit unglaublich viel Engagement und Herzblut für den Wandel einsetzen. Allein das zu sehen, ist ein großer Bonus dieses Films.