Bevor ich mich dem Bitcoin und dem Gespräch mit Sebastian Borek zuwende, muss ich ein paar Sätze zur Demokratie voranstellen. Viel ist momentan von Demokratie-Müdigkeit zu lesen, davon, dass sie abgelehnt oder von einigen nicht verstanden wird.
Dass sie anfällig ist und dass sie immer wieder von verschiedenen Akteur*innen bedroht wird, ist allerdings Teil der Demokratie – sozusagen ihre Achillesferse. Ihre Mechanismen bieten Raum für ihre Selbstzerstörung, oder wie Roger Willemsen es 2006 in einem Interview mit Dirk Knipphals in der taz formulierte:
„Hitler hat einmal in einem merkwürdig klarsichtigen Satz, über den ich mich immer gewundert habe, gesagt: „Ich habe die Demokratie mit ihren eigenen Regeln zur Strecke gebracht“. Von dieser Einsicht aus lohnt es sich, in allen Staaten, ganz egal, wie human sie verfasst sind, auf die Stellen zu schauen, an denen sie sozusagen umkippen können.“
Auf der Suche nach Lösungen für dieses Problem, bin ich auf Sebastian Borek gestoßen. Nicht, weil er Politiker oder ein Experte für Demokratie und ihre Stabilität ist, sondern weil er fest davon überzeugt ist, dass die Zukunft der Demokratie ohne die Kryptowährung Bitcoin kaum zu denken ist. Mir ist bewusst, dass es rund um den Bitcoin viel Unwissenheit, viel Abneigung und viele Mythen gibt. Dafür, das zu beleuchten, wird es an anderer Stelle Raum geben. Dieses Interview konzentriert sich mehr auf den Zusammenhang zwischen der Idee, die hinter dem Bitcoin steckt und unserer Demokratie.
Sebastian Borek mit allem, was er bisher initiiert, und in die Welt gebracht hat, vorzustellen, würde einige Seiten füllen. Daher beschränke ich mich darauf, voranzustellen, dass er ein international erfahrener Seriengründer, Angel Investor, Beiratsmitglied, Digitalisierungs-Experte und Familienunternehmer ist. Und einer, der sich im und mit dem Web 3.0 auskennt. Was genau das ist, welche Rolle der Bitcoin darin spielt und was das alles mit Demokratie zu tun hat, erfahrt Ihr im nachfolgenden Interview.
Sebastian, steigen wir mal langsam ein. Was ist das eigentlich, das Web3.0?
Das Web3.0 lässt sich als zeitliche Abfolge des kommerziellen Internets bezeichnen. Web1.0 war die Publizierung von Information. Web2.0 begann mit den Social-Media-Plattformen, also damit, dass Menschen plötzlich selbst Fotos und Inhalte hochladen konnten und Teil dieser Wertschöpfung wurden. Und natürlich mit allem rund um das Thema Mobile First, also die Anpassung der Webseiten an mobile Geräte, was wiederum durch Instagram, also durch das Hochladen von Inhalten mit Smartphones, beschleunigt wurde.
Das Web3.0 bezeichnet nun eine neue Epoche, deren Kern das dezentrale Internet ist. Hier stehen wir immer noch am Anfang, aber es ist ersichtlich, dass Wertschöpfungsketten sich komplett neu ordnen werden. Brauchte man im Web2.0 immer eine Plattform – beispielsweise Facebook – um etwas hochzuladen, ohne daran zu verdienen, bietet das Web3.0 die Möglichkeit, dass alle, die partizipieren, auch Mitinhaber werden.
Also eine große Kolchose?
Nein, das ist das falsche Wort: eher eine große Genossenschaft. Jedem kann ein Teil des Internets gehören, quasi ein Teil von jedem Service, den man nutzt. Das ist faszinierend. Das ist aber nur eine Sache, die das Web3.0 ausmacht. Die zweite ist, dass Werte wie Geld ohne Mittelsmann oder Organisatoren von einem User zum anderen übermittelt werden können. Komplett sicher und schnell.
Kannst Du das näher erklären?
Nehmen wir die E-Mail: Wenn man eine E-Mail schickt, dann konnten der Empfänger und der Absender sie weiterschicken und vervielfältigen. Und die E-Mail war dann auch immer noch auf dem Computer und die Empfänger hatten sie auch. Bei digitalen Währungen wäre das ein Problem. Es ging also darum, zu überlegen, eine digitale Währung so zu organisieren, dass sie nicht inflationär ist und dass sie trotzdem sicher von A nach B kommt.
Und damit sind wir schon beim Bitcoin?
Im Grunde ja. Denn nun geht es um die Frage, wie ich ein gesamtes Finanzsystem drum herum gebaut kriege. Bitcoin ist nicht nur ein digitaler Coin, sondern ein System, welches das klassische Finanzsystem in die digitale Welt transferiert. Bitcoin hat so gesehen den Startschuss dafür gegeben, die Finanzindustrie zu digitalisieren und zu automatisieren. Die ist ja bisher vom Internet „verschont“ geblieben. Es gibt zwar Anbieter wie PayPal, aber im Endeffekt laufen auch dort die klassischen Prozesse ab. Heißt: PayPal hat nur eine „neue Schale“, also eine App. Man drückt drauf, aber wenn du draufdrückst, geht das wie vor 100 Jahren immer noch den gleichen Weg von einer Bank zur anderen. Die Informationen werden ausgetauscht und geklärt und lalala: Irgendwann kommt das Geld bei dem anderen an. Und irgendwer muss das Risiko tragen.
Ja, so kennt man das.
Alles, was sich jetzt in diesem Bereich entwickelt, das nennt man das Web3.0. Zum Beispiel, dass durch die Blockchain das Internet sicherer gemacht werden kann, dass man digitale Assets (Vermögenswerte) übertragen kann. Und wir wissen noch gar nicht, in welche Richtung das geht. Wir wissen aber, dass wir an Social-Media bald einen Haken dranmachen und dass das sozusagen in Ownership-Media übergeht. Ich weiß nicht, ob sich die Bezeichnung durchsetzt, aber ich würde es so beschreiben.
Also, um es nochmal zusammenzufassen: Im Grunde sind Web1.0 bis Web3.0 nur eine zeitliche Abfolge, ähnlich wie Barock und Renaissance. Eine neue Zeit. Eine Zeitenwende, ein Paradigmenwechsel. Wieder kommt was Neues und diesmal eben durch die Blockchain Technologie. Ich hoffe, ich konnte es einigermaßen gut erklären.
Danke. Trotzdem: Ich kenne so viele Leute, die haben überhaupt keine Ahnung von Blockchain oder Bitcoin. Die betrachten das wie so ein großes Gespenst. Und dann liest man im Spiegel Schlagzeilen wie „Legt endlich den Krypto-Sumpf trocken“. Klar, dass das Angst macht.
Absolut zu Recht auch. Aber vielleicht zuerst zu deiner Frage. Es ist mit Sicherheit ein Education-Thema, aber nicht nur. Immer wenn sich neue Technologien entwickeln, werden sie von den meisten nicht sofort verstanden und genutzt, sondern es sind immer die, die entweder schnell oder in dem Bereich gut ausgebildet sind, die aufspringen und Chancen ausloten.
Das ist eine Dynamik, die sich bei technologischen Entwicklungen immer beobachten lässt. Wer versteht, was sich entwickelt, kann daran teilnehmen. Vielleicht kommen wir darauf später noch einmal zurück. Im Grunde war das, seit es das Internet gibt, schon immer so. Jeder konnte, wenn er das so ein bisschen verstanden hat, sehr früh dabei sein. Wenn ich es genau überlege, dann ist es schon eine Frage von früh und cleverness und dementsprechend weniger von Bildung oder Geld. Das Internet bietet Zugang zu allen Informationen, die man braucht. Also zumindest ist das so, wenn wir über die Konsumenten, die es dann nutzen, reden.
Will man allerdings in der Entwicklung dabei sein, braucht man sehr, sehr viel Geld und es ist ein kleiner Zirkel. Das ist so grundsätzlich auch die Kritik insgesamt: Dass dieses Internet und die Werte, die entwickelt werden, von so einer kleinen Gruppe aufgebaut werden. Nichtsdestotrotz gibt es auch jetzt schon die Möglichkeit der Financial-Inclusion.
Was kann ich darunter verstehen?
Es heißt vereinfacht: Alle Leute, die ein Smartphone haben, können mitmachen. In welcher Form auch immer. Sie können ihr Geld ganz ohne Barrieren anlegen. Man braucht kein Konto, man braucht keine Altersverifizierung. Man kann sich einfach eine Wallet (Tool für Onlinezahlungen, meist eine App) runterladen und ist sofort Teil einer digitalen oder dezentralen Technologie. Übrigens – der Sumpf, der trockengelegt wird –, das sind die zentralen Technologien. Denn bei dezentralen Technologien (dazu kommen wir sicher gleich nochmal), da geht es um Vertrauen. Immer, wenn Menschen plötzlich Dinge kontrollieren, dann werden sie von Gier und was weiß ich zerfressen und dann machen sie solche Dinge wie Sam Bankman-Fried. Was wirklich unglaublich ist. Ich hätte das nicht für möglich gehalten, weil ich ihn als einen Überzeugungsnerd gesehen habe. Aber egal.
Zurück zu den neuen Technologien. Beim Web3.0 gibt es für jeden die Möglichkeit, daran teilzunehmen. Und es gibt natürlich Wunschvorstellungen und Visionen, zum Beispiel die, dass man viele Assets (Vermögenswerte) tokenisiert oder übersetzt. Dass Vermögenswerte also digitalisiert werden und dass damit die Besitztümer, die wir haben, über tokens auch wirklich allen gehören. Damit wären wir bei der Demokratie. Aber lass uns bitte kurz nochmal über den Missbrauch sprechen.
Es ist natürlich so: Gerade im Krypto-Bereich gibt es momentan noch viel Glücksrittertum. Die Möglichkeit, zu sagen: Oh, ich kann in diesem Bereich mitmachen und dann kaufe ich mir so einen Doge Coin oder Shiba Inu, der in Indien sehr erfolgreich ist, und der dann plötzlich mal 20 Prozent hoch oder runter geht – das hat natürlich viele animiert, schnell Geld verdienen zu wollen. Vorher hatten die Menschen vielleicht keine Möglichkeit, an so was teilzunehmen. Trotzdem sehe ich das kritisch. Darum finde ich die sogenannten Play-To-Earn-Modelle (P2E) oder Move-To-Earn (M2E) viel interessanter.
Ok. Das musst Du erklären. Spielen, um zu verdienen?
Bei diesen Modellen muss man etwas tun, um dafür Tokens zu bekommen. Spiele spielen oder Schritte gehen. Auf den Philippinen konnte man vor ein paar Jahren Spiele spielen und gewann damit Tokens, die wiederum in Euros oder in Rupien umgetauscht werden konnten. Und dann ist es tatsächlich für die Leute ein absoluter Gewinn, denn im Schnitt verdienen sie rund 400 Euro. Das ist so viel Geld, dass sie ihre Kinder zur Schule schicken können.
Jetzt muss man natürlich abwägen, ob Fantasiespiele pädagogisch das Sinnvollste sind. Aber viel wichtiger finde ich, dass Leute über den Zugang zu einem Computer oder einem Smartphone in einen Markt einsteigen können und mit Chip und Skills beim Gaming Tokens bekommen, die sie dann wiederum in Geld umwandeln können. Das gibt ihnen die Möglichkeit zu partizipieren, und das finde ich grundsätzlich gut.
Aber kommen wir noch einmal zurück nach Deutschland. Hier sehe ich nach wie vor nur ein Grüppchen, dass Einblick in das hat, was sich da gerade aufbaut.
Ja, da hast du Recht, es fehlt an Wissen. Es ist halt auch sehr kompliziert. Wenn man nicht die Zeit hat, sich da durch – also ich will fast sagen – zu quälen, findet man keinen Anschluss oder Zugang. Ich habe am Anfang – vor circa sechs Jahren – alles aufgeschrieben, habe gegoogelt und selbst wenn ich es gegoogelt habe, hatte ich immer noch nicht alles verstanden. Es ist ziemlich schwer, einen Zugang zu bekommen, um das jetzt in der Phase für sich nutzbar zu machen, außer, dass man einfach Bitcoins oder andere Kryptowährungen kauft.
Bleiben wir mal bei den positiven Aspekten. Denn viel interessanter ist das, was Du in einem anderen Podcast mal beschrieben hast: dass das Web3.0 eine sehr demokratische Komponente hat. Und damit sind wir bei der DAO. Ich erinnere mich an einen Satz von Dir: „Man könnte Greenpeace als eine DAO auflegen.“ Und für alle, die damit gar nichts anfangen können: DAO ist die Abkürzung für Dezentralisierte Autonome Organisation. Also eine Organisation, die über ganz, ganz viele Rechner läuft, bei der also zum Beispiel nicht irgendwo die eine Bank in Frankfurt ihren Sitz hat, sondern das ganze System auf x-Schultern verteilt ist.
Bevor ich es erkläre, will ich etwas einschieben. Mir ist aufgefallen, dass bei allem, was eine übergeordnete Mission hat, wenn man also eine NGO oder einer Community gründet, die Koordinierung unglaublich schwierig ist. Zum Beispiel, dafür zur sorgen, dass alle am selben Strang in dieselbe Richtung ziehen. So, wie bei Greenpeace oder bei Brot für die Welt. In solchen Organisationen gibt es, wie überall sonst auch, unglaublich viele Egos und jeder will seine eigenen Interessen durchsetzen. Viele dieser Organisationen bekommen über Mitgliedsbeiträge so eine Art Kommittent. Zumindest kommt so das Kapital rein, damit Geschäfte oder der Impact umgesetzt werden können.
Und was wäre bei einer DAO anders?
Die DAO hat zwei Vorteile. Zum einen habe ich eine dezentrale Organisationsstruktur. Für die gibt es dann eine Art Verfassung. Und von dieser Verfassung kann ich dann gewisse Aktionen ableiten, die genau dieser Mission gerecht werden. Und ich habe die Möglichkeit, Ausschreibungen zu machen. Zum Beispiel: „Hey liebe Greenpeace Community, wir brauchen heute ein Boot. Wer kann das geben?“ Für dieses Boot gibt es drei Greenpeace Token. Dann weiter: „Wir brauchen noch zwei Leute, die Plakate aufhängen“. Oder: „Wir müssen übrigens noch mal das oder etwas anderes organisieren.“ Man hat also kleine Kampagnen und die Leute können sich bewerben.
Ich habe bei FridaysForFuture mitgekriegt, wie die sich organisiert haben und ich habe die ganze Zeit gedacht, dass man daraus Tokens machen könnte. Man schafft quasi eine künstliche Währung und andere, die diesen Geschäftszweck oder die Mission gut finden, können einfach diese Tokens kaufen, um der Organisation Kapital zuzuführen.
Und im Endeffekt ist das nichts anderes als die Technologien, die in der Blockchain aktuell entwickelt werden. Damit für Apple oder Microsoft die Blockchain nutzbar gemacht werden kann, braucht man eine Technologie und die muss programmiert werden. Das machen Developer. Allerdings nicht aus Gemeinnützigkeit – auch wenn sie natürlich super motiviert sind –, das machen sie, weil sie bezahlt werden. Und zwar in der Währung, also mit Token dieser Blockchain.
Das sind alles gemeinnützige Stiftungen, die sind meistens in Zug registriert, die haben eine Verfassung und veranstalten sogenannte Town Hall Meetings. Das läuft dann so ab, dass zum Beispiel gesagt wird: Pass auf, wir müssen jetzt ein Upgrade machen, weil wir vielleicht ein Sicherheitsleck haben. Wer ist dafür, wer dagegen? Das ist komplett demokratisch. Also wer nicht kommt, kann nicht abstimmen, aber jeder hat die Möglichkeit, was zu sagen, etwas vorzubringen. Das ist super organisiert. Hat allerdings den Nachteil, dass es etwas starr ist, wenn es um kurzfristige Entscheidungen geht.
Aber das hat mich trotzdem auf die Idee gebracht, dass man diese Technologie eigentlich auch auf Organisationen wie Greenpeace anwenden kann, weil man dann zwei Dinge sicherer macht: Zum einen gehört die Organisation allen. Es gibt keinen, der ein Ego-Ding hat. Alle folgen der Mission, Und es wird immer wieder abgestimmt, ob man auf der gleichen Linie ist und vor allem darüber, dass eine nachhaltige Strategie gefahren wird. Und das fand ich bei den DAOs einfach superspannend. Ich bin überzeugt, dass man in dem Moment, wenn man wirklich eine neutrale Instanz hat, die keinem gehört, viel fokussierter auf die Sache ist, anstatt darauf, was der Einzelne vielleicht für Befindlichkeiten hat.
Das sind die Punkte, die mich an der DAO so reizen. Und dass man zum Beispiel die amerikanische Verfassung auf diese Art kaufen könnte. Das haben so gar mal einige Leute versucht, die sich gesagt haben: Wir kaufen die Verfassung, weil die Verfassung den Menschen gehört und: We are the people. Ich finde, auch wenn es nicht geklappt hat, ist es ein tolles Beispiel, das gezeigt hat, wie kraftvoll DAOs sein können.
Und ich kann mir gut vorstellen, dass sich das zukünftig durchsetzen wird, aber eben nicht bei allen. Momentan sind wir in der Experimentierphase. Aber ich glaube, für Organisationen wie Greenpeace wäre es einfach das Richtige, weil dann auch alle wissen, dass die Gelder in der Organisation bleiben. Man definiert das einmal und dann es ist transparent. Es geht um das Thema Trust und ich will jetzt nicht sagen, dass Greenpeace nicht vertrauenswürdig ist – Greenpeace ist eine wundervolle Organisation. Aber sind wir doch mal ehrlich, gerade bei all diesen „Brot für die Welt“-Sachen, schwingt immer so ein bisschen die Frage mit, wo das Geld landet. Da bleibt eine Unsicherheit und vielleicht ja auch zu Unrecht. Aber mit einer DAO kann man das nachlesen, das ist im Computer-Code hinterlegt und es lässt sich auch nicht verfälschen. Und das fand ich eine schöne Idee.
Hm… Mich überzeugt das noch nicht ganz. Stellen wir uns vor, es kommt jemand und sagt: Ich kaufe jetzt den größten Anteil der Token – es ist ja im Grunde auch ein bisschen das Aktien-Prinzip –, also man kann sich eine Mehrheit erkaufen. Und dann sind wir doch wieder dabei, dass derjenige, der die meisten Token hat, bestimmt, oder? Wie reguliert man das?
Guter Punkt, es gibt sowas, das nennt sich im Fachjargon Tokenomics, also die Ökonomie der Token-Verteilung. Und übrigens ist das einer der schwierigsten Jobs und am meisten gefragtesten Jobs der Zukunft. Also Leute, die in der Lage sind, die Verteilung der Tokens so zu strukturieren, dass sie dem Zweck des Geschäftes folgen, dass eben keiner die Mehrheit hat und das Ganze damit ad absurdum führen könnte. Das dezentrale Modell und diese Tokenomics sind so strukturiert, dass man ganz genau sagt, wer wie viel Tokens haben darf, um eben das zu vermeiden. Es ist aber, um es auch zu sagen, so, dass die die ersten DAOs die hier gemacht wurden, nicht fehlerfrei sind.
Also das ist auch mein großes Plädoyer: Eine Technologie, wie die Blockchain wird die Welt nicht retten. Es sind die Menschen, es sind deren Werte und Einstellungen. Wer manipulieren will, kann wahrscheinlich über die Blockchain genauso manipulieren – nur eben unter einem neuen Gewand. Es müssen sich kluge Köpfe zusammentun, die etwas Gutes machen wollen. Tokenomic ist ein unglaublich komplexer Prozess – mathematisch zu überlegen, wie viel Tokens gegeben werden, wem man sie vergibt und zu welchem Zweck und wie man sie zurückgeben kann.
Es gibt nur sehr wenige, die das Token-Engineering, so nennt sich das, beherrschen. Die Leute werden gesucht ohne Ende. Aber, um noch einmal zu deiner Frage zu kommen, man kann sich natürlich auch die Mehrheit holen. Aber das ist nicht im Sinne der Sache. Und es ist auch immer die Frage, in welchem Kontext das steht. Also wenn ich jetzt die Verfassung kaufen würde und, weil ich so viel habe, 90 Prozent der Token kaufe – okay, aber dann gehört sie mir immer noch nicht.
Ich habe dann zwar das meiste Geld gegeben, aber trotzdem entscheidet die Governance, die installiert wurde. Wie schon gesagt, es ist komplex und es ist experimentell. Aktuell noch. Neulich habe ich eine Juristin getroffen. Sie hilft dabei, aus klassischen Modellen, Assets zu generieren und das Ganze juristisch abzubilden. Es wird in Hinblick auf die Entwicklung der KI immer wichtiger, dass wir überlegen, wie wir Verträge etc. fälschungssicher machen.
Und die Frage ist halt auch: Wird sich das durchsetzen? Schenken wir der Blockchain so viel Vertrauen? Welche Sachen wollen wir selbst kontrollieren? Ich glaube, dass das Ganze auch für die Politik und Kommunalpolitik interessant ist. Es gibt ja schon die ersten City-Coins, also da ist momentan gerade viel in Bewegung. Mehr kann ich dazu leider auch noch nicht sagen, weil ich auch gerade lerne und überlege: Wie wäre es zum Beispiel, wenn ich mich selbst als DAO oder als NFT oder als Token aufsetze und mit welcher Verfassung mache ich das dann? Was gebe ich den Leuten, die Token von mir kaufen. Und wieso sollten sie das machen? Solche Gedankenexperimente sind sehr spannend, aber so ist das, wenn es visionär wird – ein paar Sachen bleiben kleben, andere werden wieder verworfen.
Wenn ich das richtig verstanden habe, wird diese Entwicklung die Gründerszene auch ziemlich verändern. Ich könnte ja, wenn ich zum Beispiel eine Zeitung gründen will oder eine Medienplattform, sagen, dass ich Tokens davon verkaufe und jede*r kann sich beteiligen.
Genau, das wäre wieder eine DAO und wie gesagt, ist es eher wie eine erweiterte Genossenschaft, denn wir können alle beteiligen: Mitarbeiter, Werbekunden, Partner, die Druckerei. Es ist ein riesiges Ökosystem. Und alle sind interessiert daran, dass sich das Produkt gut verkauft, denn dann können wieder Tokens ausgeschüttet werden.
Das klingt sehr demokratisch.
Ja, am Ende sind das genossenschaftliche Modelle und interessanterweise ecke ich damit immer an, weil viele denken, dass das kommunistische Ideen wären. Ander Stelle sind wir wohl noch in unseren alten Denkmustern verhaftet und sehen die guten Elemente nicht. Es ist doch nicht alles, bloß weil es gemeinschaftlich oder demokratisch abläuft, gleich Kommunismus. Und ist es nicht auch so, dass uns der Kapitalismus, den wir jetzt haben, irgendwie ins Unglück führt.
Oh, das sagst Du als jemand, der vom Kapitalismus lebt?
Es ist einfach so: Ich liebe den Kapitalismus für Ansporn und ich denke immer noch: Wenn man hart arbeitet, kriegt man auch was. Aber es ist ja mittlerweile so, dass einige gar nicht mehr anfangen können, weil sie überhaupt keine Chance haben. Und die, die schon sehr, sehr gut drin sind, die können gar nicht mehr stoppen, also nicht mehr zurück. Das ist halt so und deswegen sehe ich darin auch eine Chance. Na gut, ich weiß (noch) nicht, wie man das grundsätzlich regelt, aber ich denke, das ist eine Möglichkeit, eine neue Art von holistischen, demokratischen Systemen zu entwickeln, eben neue Wertschöpfungsketten, die Sinn machen. Dir ist sicher auch schon mal aufgefallen, dass bei vielen Geschäften immer einer verliert. Wieso muss das so sein? Das stelle ich infrage und mit der neuen Technologie hätten wir Antworten und könnten bessere Modelle entwickeln.
Das wäre auch Sache der Politik, oder?
Das denke ich auch, wenn Politiker sich mal mit den DAOs, der Blockchain und den Möglichkeiten der Demokratisierung auseinandersetzen würden, auch damit, wie man Wahlen gestalten kann – das wäre schlau. Dann wäre Wahlmanipulation zum Beispiel kein Thema mehr. Es gibt so viele neue Möglichkeiten und wenn wir uns nicht mit Technologie beschäftigen, dann wird sie eben von Schlitzohren genutzt, die sich daran bereichern.
Damit sind wir bei einem wichtigen Stichpunkt. Wenn ich jetzt mich belesen will oder mir einfach mehr Wissen aneignen will, gib mir bitte einen Tipp. Also wo fange ich an?
Zunächst es ein paar gute Bücher, so zum Beispiel „Der Bitcoin-Standard“. Das ist ein Klassiker. Dann ist es gibt es mittlerweile fast unendlich viele Podcasts, Twitter Kommentare, Gruppen etc. Da muss man ein bisschen recherchieren. Der Punkt ist der: Wenn man erst einmal verstanden hat, wie Bitcoin funktioniert, wenn man die Idee dahinter, das Konzept, die Architektur und auch die Motivation dahinter versteht, dann fällt es schwer, noch vom „bösen“ Bitcoin zu sprechen, wie es so oft passiert.
Denken wir doch mal zurück, als – nachdem die alle gezockt haben – die Megapleite kam. Wo dann die Regierung gezwungen waren, die Banken, die das eigentlich verbrochen haben, auch noch zu retten. Das war der Kontext, in dem Satoshi Nakamoto oder eine Gruppe, die das als Pseudonym benutzt, das Whitepaper geschrieben haben. Sie sind bis heute anonym und das ist gut so. Also, wenn man das Whitepaper liest – das ist so klug. Im Grunde fußt es auf dem Gedanken, Vertrauen wiederherzustellen. Vertrauen in eine Währung, bei der ein Computer Code, eine mathematische Formel 1.000-prozentig sicherstellt, dass es nicht mehr gibt, als diese eine Menge an Bitcoins. Da wird nicht einfach Geld gedruckt.
Ok, aber die Ökobilanz, was ist damit?
Ja, der Bitcoin verbraucht so viel Strom, das ist nicht gut. Aber ich sage immer: Guckt euch doch bitte erst einmal die Idee dahinter an! Sie könnte die Welt verbessern und wenn wir auf erneuerbare Energien setzen, dann ist das schon ein anderes Spiel. Aber zunächst geht es doch darum, erst einmal unter die Motorhaube zu schauen und sich Gedanken über die Genialität dieser Erfindung zu machen. Das mit der Energie ist der nächste Schritt. Wir können ja davon ausgehen, dass die Erneuerbaren irgendwann auf einem Level sind, wo sie die Fossilen ablösen können. Irgendwann haben wir genug Regionen, in denen wir ohne Ende Solarkollektoren aufstellen können, weil da sowieso keiner mehr leben kann.
Insofern glaube ich, dass das mit der Energie das geringste Problem ist. Aber es wird momentan vorgezogen, weil viele eben einfach keine Lust haben, sich mit dieser neuen Technologie zu befassen. Ich erlebe das so oft in Gesprächen, dass das Argument mit der Energie kommt. Und wenn man dann fragt: Hast du dich eigentlich schon mal damit befasst? So richtig? Dann komm: Nein.
Ich möchte das nochmal betonen, etwas, das Philipp Sandner auch so schön gesagt hat. Ganz ehrlich: Wir haben das Internet, Google, YouTube. Und wenn man interessiert ist, findet man so viele gute Informationen und Quellen. Und dann begibt man sich auf eine Lernreise, die so spannend ist. Wenn man sich die ersten Wochen in den Kaninchenbau eingegraben hat, fühlt sich das wirklich toll an. Man ist beeindruckt von der Genialität und auch von den Möglichkeiten. Zu lernen wird uns niemand abnehmen. Nicht die Politiker, auch nicht unsere Lehrer und schon gar nicht die Konzerne. Es liegt bei uns und in der Eigenverantwortung jedes Einzelnen sich zu informieren. Sonst geht das an uns vorbei.
Vielen Dank für das Gespräch!